Saints-Kicker Charlie Smyth #39 aus Nordirland bei seinem ersten Field Goal – ein Debüt, das seine Heimat in Aufruhr versetzte.
Saints-Kicker Charlie Smyth #39 aus Nordirland bei seinem ersten Field Goal – ein Debüt, das seine Heimat in Aufruhr versetzte. | Quelle: IMAGO / Imagn Images

Während in Deutschland viele Football-Fans noch darauf warten, dass Lenny Krieg endlich seine Chance bei den Atlanta Falcons bekommt, hat ein anderes europäisches Talent diesen Schritt bereits geschafft.

Charlie Smyth, Nordire und Kicker der New Orleans Saints, feierte am Sonntag sein erstes reguläres NFL-Spiel – und setzte dabei ein deutliches Ausrufezeichen.

Dieser Artikel basiert auf dem ESPN-Feature
„Free pints! Ireland’s Charlie Smyth smashes Saints debut“
von Kalyn Kahler & Katherine Terrell.



Ein Debüt unter Druck: 56-Yarder in entscheidender Situation

Für Charlie Smyth begann sein Debüt zunächst unspektakulär. Lange bot das Spiel gegen die Miami Dolphins keine Gelegenheit für ein Field Goal. Doch 6:13 Minuten vor dem Ende, bei schwierigen Wetterbedingungen und einem 11-Punkte-Rückstand, bekam der 23-Jährige endlich seine Chance.

Ein 56-Yard-Field-Goal, auswärts, im Regen – ein Kick, der für viele NFL-Kicker eine Herausforderung darstellt.
Smyth verwandelte ihn souverän und mit beeindruckender Länge, wie später auch sein persönlicher Trainer Tadgh Leader betonte. Der Ball „wäre von 65–67 Yards gut gewesen.“

Irishman Charlie Smyth's first career FG goes for 56 yds! 🇮🇪

📺: FOX | @NFLUKIRE pic.twitter.com/qmti6LNoIJ

— New Orleans Saints (@Saints) November 30, 2025

Mit diesem Kick brachte Smyth die Saints auf einen One-Possession-Abstand zurück und zeigte genau jene Ruhe, die im Special Team über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.

Rookie-Quarterback Tyler Shough lobte ihn anschließend als „ice cold“, ein Kompliment, das Smyths Gelassenheit treffend beschreibt.



Ein Dorf fiebert mit: Mayobridge erlebt einen außergewöhnlichen Abend

Während Smyth in Miami seine NFL-Premiere erlebte, verfolgte sein Heimatdorf Mayobridge in County Down jede Sekunde mit.
Der örtliche Pub, Laverty’s Bar, war am Sonntagabend bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund 90 Menschen versammelten sich dort, viele von ihnen Freunde, Verwandte oder ehemalige Trainer.

Pub-Besitzer Colin „Coke“ Laverty versprach:
Wenn Smyth punktet, gibt es eine Gratis-Pint für alle.

Things we LOVE to see! Charlie Smyth’s hometown going nuts after his first career field goal!

(via @NFLIreland) pic.twitter.com/D6ZEbwhnkv

— NFL UK & Ireland (@NFLUKIRE) November 30, 2025

Als der Ball durch die Goalposts segelte, brach im Pub Jubel aus, gefolgt von der ersten Runde Guinness – auf Kosten des Besitzers.
Laverty sprach später von einer „besonderen Stimmung“ und davon, dass kaum jemand den Pub verlassen wollte, selbst lange nach Spielende nicht.

Diese Szene unterstreicht, wie stark Smyths Weg mit seiner Heimat verbunden ist. Ein Dorf, das vor wenigen Jahren kaum NFL-Bezug hatte, erlebt nun Football auf emotionalste Weise.



Vom Gaelic Football ins NFL-Rampenlicht

Smyths Karriereweg ist bemerkenswert.
Der junge Nordire spielte jahrelang Gaelic Football, bevor er sich 2023 erstmals intensiver mit American Football beschäftigte. Seine herausragende Schusstechnik fiel Trainer Tadgh Leader auf, der ihn in das NFL International Player Pathway Program brachte.

Von dort aus erarbeitete sich Smyth:

  • starke Auftritte beim Combine und IPP-Pro Day
  • die Unterschrift bei den Saints 2024
  • zwei Jahre Entwicklung im Practice Squad
  • eine offene Competition im Training Camp 2025
  • und schließlich den Starting-Job nach einer starken Woche unter Druck

Bemerkenswert:
Smyth setzte sich dabei gegen Cade York und sogar Justin Tucker durch – einen der besten Kicker der NFL-Geschichte.

Die Saints sahen schon früh sein Potenzial, betonten aber, dass Smyth vor allem an Konstanz und Wiederholungen arbeiten musste. In Irland und im Gaelic Football gibt es keine strukturelle Ausbildung für American-Football-Kicker. Smyth musste Grundlagen wie Anlaufwinkel, Schrittlängen oder Ballkontakt praktisch neu erlernen.



Onside-Kick als zweites Highlight – ein Spielzug, der seine Herkunft zeigt

Kurz vor Spielende kam Smyth ein zweites Mal in den Fokus.
Die Saints probierten einen Onside Kick, einer der schwierigsten und selten erfolgreichsten Spielzüge der NFL. Smyths Versuch war technisch anspruchsvoll – ein horizontal rotierender Ball zur Seitenlinie.

Receiver Devaughn Vele sicherte den Ball, die Referees bestätigten nach Review die Saints-Recovery.
Damit gehört Smyth zu den wenigen Kickern, die in dieser Saison einen Onside Kick erfolgreich ausgeführt haben.

CHARLIE SMYTH CONVERTS THE ONSIDE KICK! 🇮🇪

Vele with the recovery

📺: FOX | @NFLUKIRE pic.twitter.com/93TEkzziaz

— New Orleans Saints (@Saints) November 30, 2025

Trainer Leader sprach anschließend von einer Fertigkeit, die aus Smyths Gaelic-Football-Zeit stammt:
Gefühl, Ballkontrolle und Bewegungspräzision.



Emotionen in Miami – und in Mayobridge

Smyths Familie reiste spontan nach Miami – trotz 23 Stunden Reisezeit und Verspätungen.
Sein Vater Leo, der die Nachricht über Charlies Starter-Rolle am Freitag erhielt, „brach in Tränen aus“ und machte sich sofort auf den Weg.
Auch im Stadion fieberten sie mit – unterstützt von Smyths Kicktrainer und vielen irischen Fans, die bereits vor Ort waren.

Smyths Fazit nach dem Spiel:

„Ich war absolut positiv. Ich war einfach nur glücklich, die Chance zu bekommen.“

In Mayobridge ging der Abend unterdessen weiter.
Nach dem Field Goal und dem Onside Kick folgte eine weitere Gratistrunde.
Pub-Besitzer Laverty schätzte später, dass er rund 140 Getränke verschenkt hatte – und dass „am Montag vermutlich nicht allzu viel gearbeitet wird.“



Fazit: Ein Debüt, das weit über Football hinausgeht

Charlie Smyths erster NFL-Auftritt war sportlich beeindruckend und kulturell außergewöhnlich.
Sein 56-Yard-Field-Goal, seine Nervenstärke und die emotionale Reaktion eines ganzen Dorfes verdeutlichen, welchen Einfluss internationale Spieler auf die NFL inzwischen haben.

Für die Saints ist Smyth mehr als ein kurzfristiger Ersatz – er ist ein spannendes Langzeitprojekt mit außergewöhnlichem Potenzial.

Für Mayobridge war es ein besonderer Abend.

Für die internationale NFL-Community ein Moment, der zeigt, wie weit der Sport inzwischen reicht.

Und für alle deutschen Fans bleibt die Hoffnung:
Vielleicht feiern wir bald ähnliche Geschichten mit Lenny Krieg.

Lenny Krieg, deutscher Kicker der Atlanta Falcons, beim NFL-Spiel in Berlin.
Lenny Krieg, deutscher Kicker der Atlanta Falcons, beim NFL-Spiel in Berlin. | Quelle: Adlantis Agentur