„Mehr Liebe für Kicker!“
Im American Football ist der Kicker ein Spezialist, der in kritischen Momenten über Sieg oder Niederlage bestimmt. Er tritt dann aufs Feld, wenn Touchdowns knapp ausbleiben oder das Spiel in die Schlussphase rückt. Sein Job ist so einfach, wie hochkomplex: präzise Ballflugbahnen unter Druck und verschiedenen Wetterbedingungen kontrollieren und Punkte auf das Scoreboard bringen. Analog zum „Maschinenraum“ der Defensive Line übernimmt der Kicker eine elementare, wenngleich selten beachtete Rolle.
Was sind die Aufgaben des Kickers?
Der Kicker übernimmt drei Hauptaufgaben in jedem Spiel:
- Field Goals: Punkte durch erfolgreiche Schüsse zwischen die Torpfosten (3 Punkte).
- Extrapunkte: unmittelbare Punkte nach einem Touchdown durch einen kurzen Kick von 33 Yards (1 Punkt).
- Kickoffs: Eröffnungs- und Restart-Kicks, die das gegnerische Team nach Scores in der eigenen Red Zone starten lassen.
Jeder dieser Kicks verlangt eine unterschiedliche Technik, von der Flugbahnkontrolle beim Field Goal bis zum strategischen Platzieren beim Kickoff.
Welche Anforderungen und Fähigkeiten muss ein Kicker mitbringen?
Ein NFL-Kicker muss weit mehr beherrschen als reine Beinkraft:
- Genauigkeit: Zielgenauigkeit von 5–10 Zentimetern über Distanzen von 40 Yards und mehr.
- Konstanz: Gleichbleibende Technik in Wind, Regen und großer Lärmkulisse.
- Mentalstärke: Fokussiertheit bei Drucksituationen, etwa im letzten Drive vor dem Spielende.
- Anpassungsfähigkeit: Feine Justierungen bei Bodenbeschaffenheit, Höhenlage, Wetterbedingungen und gegnerischem Druck.
Ohne akribisches Techniktraining funktionieren weder Hakenschritt, Anlaufwinkel noch Körperhaltung optimal.
Welche Bedeutung hat ein Kicker im Spielverlauf?
Punktegarant oder Spielentscheidende Kraft – so unterschiedliche Rollen kann ein Kicker einnehmen:
- Spielmacher: Ein sicheres Field Goal kann wichtige Punkte für das Team bescheren
- Momentum-Faktor: Ein Long-Distance-Field-Goal verschafft Rückenwind, oft bejubelt wie ein Touchdown.
- Waffengleichheit: Teams ohne verlässlichen Kicker riskieren, knappe Spiele zu verlieren und verlieren an strategischer Flexibilität.
In engen Partien entscheidet der Kicker häufig über Saisonziele wie Playoff-Einzug oder Divisionstitel.
Icing the Kicker – die Geheimwaffe der gegnerischen Teams
In American Football bezeichnet „Icing the Kicker“ das gezielte Ausrufen eines Timeouts unmittelbar vor einem Field-Goal-Versuch der gegnerischen Mannschaft. Ziel dieses Manövers ist es, den Kicker mental aus dem Rhythmus zu bringen und zusätzlichen Druck aufzubauen, indem der Kick länger hinausgezögert wird:
- Direkt vor dem Snap ruft die verteidigende Mannschaft ein Timeout.
- Entweder wird der Kick unmittelbar gestoppt oder der erste Versuch verwirft man und lässt nur den zweiten zählen.
- Der Kicker muss seine Routine unterbrechen, was zu Konzentrationsverlust oder Nervosität führen kann.
- In der NFL sind pro Spielzug nur einmal Timeouts zwischen den gleichen beiden Plays erlaubt, im College Football hingegen mehrfach, solange Timeouts übrig sind.
Die Top 5 NFL-Kicker der vergangenen Jahre
1. Justin Tucker – Baltimore Ravens
Justin Tucker, 35 Jahre alt und Rekordhalter für die höchste Field-Goal-Quote in der NFL-Geschichte, wurde am 5. Mai 2025 von den Baltimore Ravens entlassen. Die Franchise nannte den Schritt eine „rein sportliche Entscheidung“, nachdem Tucker in der Saison 2024 mit einer 73,3 %igen Erfolgsquote bei Field Goals einen Karriere-Tiefpunkt erreicht hatte. Gleichzeitig wurde bekannt, dass gegen ihn mehrere Vorwürfe wegen Fehlverhalten neben dem Spielfeld erhoben wurden, die offenbar in die Entscheidung mit eingeflossen sind.
Der Rückgang seiner Leistungen (22 verwandelte von 30 Versuchen, acht Fehlschüsse) war der schlechteste Wert seit 2015 und spielte zusammen mit Gehaltscap-Überlegungen und der Verpflichtung eines jüngeren Kickers nach dem NFL Draft 2025 eine zentrale Rolle bei seiner Entlassung. Justin Tucker stand seit 2012 in Baltimore unter Vertrag und hatte dort in 13 Saisons eine Allzeit-Bilanz von 417/468 Field Goals aufgebaut.
Trotz seines freien Agenten-Status gab Ravens-General Manager Eric DeCosta an, er erwarte Tucker zurück als Kicker der Ravens 2025 und lobte dessen Konkurrenzgeist sowie starken Saison-Endspurt. Allerdings muss Tucker eine vom NFL-Vorstand verhängte Zehn-Spiele-Sperre wegen Verstoßes gegen die Verhaltensregeln absitzen und könnte frühestens in Woche 11 der Saison 2025 wieder spielberechtigt sein, sofern er einen neuen Vertrag unterschreibt.
2. Harrison Butker – Kansas City Chiefs
Harrison Butker ist seit 2017 Kicker der Kansas City Chiefs und gilt mit einer Karriere-Feldtorquote von 88,6 Prozent als einer der verlässlichsten Spezialisten der NFL.
In der Saison 2024 sank Butkers Erfolgsquote auf 84 Prozent – sein zweitniedrigster Wert seit dem NFL-Einstieg – was maßgeblich auf eine Knieverletzung zurückzuführen war. Er verpasste vier Spiele und kehrte erst im Dezember ins Aufgebot zurück, ohne jedoch an die zuvor gezeigte Präzision anzuknüpfen. In den Playoffs 2024 zeigte Butker wieder seine Nervenstärke, indem er alle vier Field-Goal-Versuche sicher verwandelte und damit seinen Wert in Drucksituationen unter Beweis stellte.
Headcoach Andy Reid bekräftigte mehrfach sein volles Vertrauen in Butker und rechnet fest mit seiner Rückkehr als Stammkicker im Training Camp 2025. Ein vollständiges Comeback hängt nun vor allem von der weiteren Stabilität seines Kniegelenks ab.
3. Matt Gay – Washington Commanders
Matt Gay unterschrieb am 29. April 2025 bei den Washington Commanders einen Einjahresvertrag über 4,25 Millionen US-Dollar, vollständig garantiert – der höchste voll garantierte Jahresvertrag für einen Kicker in der NFL-Geschichte.
Zuvor hatte er 2022 einen Vierjahresvertrag über 22,5 Millionen Dollar bei den Indianapolis Colts unterschrieben, wurde aber am 10. April 2025 nach zwei Spielzeiten entlassen. In Indy verwandelte er 64 von 78 Fieldgoalversuchen (81,0 %) und 68 von 69 Extrapunkten. Von seinen 14 Fehlschüssen kamen 11 aus Distanzen über 50 Yards
In Washington soll Gay die lang ersehnte Konstanz auf der Kicker-Position liefern. Die Commanders-Offense belegte 2024 den fünften Platz ligaweit in Punkten pro Spiel (28,5). Mit seiner Erfahrung und Präzision könnte er Drucksituationen entschärfen und entscheidende Punkte sichern.
4. Evan McPherson – Cincinnati Bengals
Evan McPherson wurde im NFL Draft 2021 in der fünften Runde von den Cincinnati Bengals ausgewählt und erarbeitete sich schnell den Spitznamen „Money Mac“ für seine Nervenstärke in entscheidenden Momenten. In seiner Rookie-Saison verwandelte er 42 von 47 Field-Goal-Versuchen (89,4 Prozent) und erzielte 12 von 14 Versuchen aus 50+ Yards. Dazu zählen zwei Walk-off-Kicks in der AFC Championship und der Divisional Round, die seinen hohen Wert als Spezialist unterstrichen.
In der Saison 2024 erlebte McPherson sein bislang schwächstes Jahr: Er traf nur 16 von 22 Field Goals (72,7 Prozent) und nur 3 von 7 aus 50+ Yards. Grund dafür war eine Rissverletzung des Adduktors (adductor magnus) in Woche 13, die ihn auf die Injured Reserve schickte und die letzten fünf Spiele verpassen ließ.
Nach einer intensiven Reha gilt McPherson inzwischen als vollständig genesen und nimmt an den freiwilligen OTAs der Bengals teil.
5. Tyler Bass – Buffalo Bills
Tyler Bass wurde im NFL Draft 2020 in der sechsten Runde (Pick 188) von den Buffalo Bills ausgewählt und etablierte sich schnell als zuverlässiger Scorer. Mit einem starken rechten Fuß und guter Gelassenheit entwickelte er sich zum festen Bestandteil von Buffalos Special Teams.
In der regulären Saison 2024 spielte Bass in allen 17 Partien und erzielte 24 von 29 Field Goals (82,8 Prozent) sowie 59 von 64 Extrapunkten (92,2 Prozent). Höhepunkt war ein 61-Yard-Kick in Week 9 gegen die Miami Dolphins, der den Bills einen knappen Sieg sicherte. In den Playoffs blieb er fehlerlos (6/6 FGs, 7/7 XPs) und setzte in Drucksituationen ein Ausrufezeichen.
Im Mai 2023 unterschrieb er bei den Bills eine Vierjahresverlängerung über 20,4 Millionen US-Dollar mit 9,41 Millionen garantiertem Fixum. Für die Saison 2025 steht sein Cap Hit bei 4,67 Millionen, bei einem Grundgehalt von 3,55 Millionen und 100.000 Dollar Workout-Bonus.
Fazit: Mehr Liebe für Kicker!
Diese Kicker gehören ligaweit zur Elite und stehen exemplarisch für die Präzision und Konstanz, die für den Erfolg einer Franchise entscheidend sind. Der Kicker ist weit mehr als nur ein Bein am Ende der Special Teams. Er ist der Ruhepol in hektischen Phasen und oft der Schlüssel zum Teamerfolg.
Was meinst du?
Sind Kicker die heimlichen Stars des Teams und bekommen im Gegensatz zu Quarterbacks und Wide Receiver zu wenig Anerkennung? Schreibe es gerne in die Kommentare!
Meine Tipps zum Abschluss:
👉 Du möchtest gerne noch mehr über die einzelnen Positionsgruppen im Football erfahren? Dann schaue hier nach Football Basics
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